Professor Dahlheim über die "Freiheit"

Professor Dr. Werner Dahlheim zu Gast im Februar 2018

Der Ursprung der Idee von der „Freiheit“

Das „Akademische Jahr 2018“ begann für die Gesellschaftswissenschaften mit einem Vortrag Professor Dahlheims über die „Städtische Freiheit in der Antike und im Mittelalter“.

Gemeinsames Merkmal der antiken wie der mittelalterlichen Städte Europas war, so Professor Dahlheim, die städtische Selbstverwaltung, die auf dem Selbstbewusstsein freier Bürger beruhte. Die Idee der Freiheit war im 5. vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland entstanden, als die Selbständigkeit der Stadtstaaten durch persische Invasionsheere bedroht wurde. Athen und Sparta, die auch über ein besiedeltes Umland und damit mehr wehrfähige Bevölkerung verfügten, konnten größere Heere aufbieten und im Bündnis mit anderen Stadtstaaten die „Despoten“ zurückschlagen. Aus der erfolgreichen militärischen Gemeinschaft entwickelte sich der Anspruch auch auf politische Gleichberechtigung in der Volksversammlung, in der schließlich alle wehrfähigen Männer gleichermaßen Sitz und Stimme hatten und in der die Beschlüsse nach ausführlicher Beratung nach dem Mehrheitsprinzip gefasst wurden.

Auf die unfreien Stämme und Völkerschaften blickten die Griechen herab und sahen sie als „Barbaren“ an; in der Zeit der römischen Kolonisation Griechenlands galten selbst die Römer den Griechen als solche.

Auch die mittelalterliche Stadt kannte die städtische Freiheit, die sich jedoch im Unterschied zur attischen polis nur auf die wehrfähigen Bürger der grundbesitzende Bürgerschaft stützte, also auf diejenigen, die ihren Grund- und Hausbesitz innerhalb der Stadtmauern persönlich zu verteidigen hatten. In den griechischen Stadtstaaten dagegen bildeten die untersten Steuergruppen die Mehrheit der Bewaffneten und stiegen als Ruderer in den Perserkriegen zur Zeit des Perikles in eine gleichberechtigte Stellung mit den übrigen Steuerklassen auf. Die mittelalterliche Landbevölkerung im Umland der Städte war unfrei und lebte erbuntertänig in Abhängigkeit von grundbesitzenden Adligen.

Als wichtigsten Unterschied zwischen den antiken und den mittelalterlichen Städten sieht Prof. Dahlheim die Rolle der Religion. War sie in der Antike noch Staatsangelegenheit aller Bürger, so entwickelte sich im Mittelalter der Stand der Kleriker, der die Aufgabe hatte, die christlichen Überlieferungen aus der Bibel auszulegen. Während in der Antike diese Überlieferung in den Familien, im Theater, durch gewählte Priester auf Zeit und durch herumreisende Erzähler weitergegeben wurde, entwickelte sich seit dem Frühchristentum der geistliche Stand, der im Hochmittelalter den weltlichen Ständen die Vorherrschaft und bisweilen auch das Eigentum streitig machte.  Politik, in der Antike eine öffentliche Angelegenheit – so gab es in Rom eine „Senatszeitung“, in der man die Verhandlungen und Beschlüsse des Senats nachlesen konnte – wurde im Mittelalter eine Angelegenheit der Mächtigen und fand hinter verschlossenen Türen statt.

Erst in der Neuzeit erinnerte sich die Menschheit wieder an die Idee der Freiheit für alle Menschen in einem Staat. Die „Jakobinermütze“, vermeintliches Symbol der freigelassenen Sklaven im alten Rom, wurde zum Symbol der geforderten Freiheit in der Französischen Revolution, und auch im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wurden die Gegner des englischen Königs von der antiken Idee der Freiheit inspiriert. Heute ist die Freiheit wichtiges Grundrecht aller europäischen Verfassungen.

Die aufmerksamen Zuhörerinnen und Zuhörer erlebten erneut einen erhellenden Vortrag des Fachmannes für die antike Geschichte, der einmal mehr bewies, dass ein Grundwert der Gegenwart und auch ihres Lebens nur zu verstehen ist, wenn man dessen antike und mittelalterliche Wurzeln kennt.

E.B.