eTwinning-Projekttreffen in Posen

Auf Tagesbesuch im Nachbarland

Am 8. Juni früh um 6 Uhr stiegen 19 Zehntklässler gemeinsam mit Frau Dr. Kassel und Herrn Schuck in den Eurocity nach Warschau. Ziel war allerdings nicht die polnische Hauptstadt, sondern auf halbem Weg die Hauptstadt der Woiwodschaft Großpolen, Posen. Knapp 20 km nordöstlich liegt der kleine Ort Jerzykowo und damit die Schule unserer polnischen Projektpartner aus dem eTwinning-Projekt „The Colourful Face of Europe“.

Frühes Aufstehen macht hungrig, das wussten die Gastgeber aus eigener Erfahrung vom Berlin-Besuch im Februar, und so wurden wir zunächst mit einem Frühstück bewirtet, bevor wir in kleinen Gruppen die Königin-Hedwig-Schule – Zespół Szkół Szkoła Podstawowa i Gimnazjum im. Królowej Jadwigi  – kennenlernten.

Im Foyer fiel schon auf, wie hell und bunt die Schule ist. Zahlreiche Fotos und Pokale zeugen von den Erfolgen der Schülerinnen und Schüler. In diesem Jahr sollen erstmalig auch außerschulisches Engagement und Leistungen gewürdigt werden. In der Jadwiżanki – abgeleitet von der Namenspatronin – wird die Schulgemeinschaft darüber abstimmen, wem eine Ehrung gebührt. Die Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich derzeit in verschiedenen Kategorien der Schulöffentlichkeit vor, z.B. in Sport, Kunst, wiedzy und mądrość, was auf Deutsch soviel wie Wissen und Klugheit oder Weisheit heißt. Im Foyer stehen bereits die Hedwigs/ Jadwigas für die zu Ehrenden bereit.

Auch an der allgemein entspannten Atmosphäre in den Unterrichtsräumen war abzulesen, dass das Schuljahresende kurz bevorsteht. Nur in der Mathematik wurde noch hart gearbeitet. Der Chemielehrer dagegen agierte als Zauberer und setzte für die Gäste scheinbar seine Hand in Brand.

Den Nachmittag verbrachten Gäste und Gastgeber gemeinsam in Posen. Teils gemeinsam und geführt vom kundigen Deutschlehrer, teils in kleinen Gruppen erkundeten wir vor allem den Alten Markt, den drittgrößten Markt nach Krakau und Breslau. Zahlreiche Cafés am Platz laden den Besucher ein, sich niederzulassen und die farbenprächtigen Fassaden zu bestaunen, die im Stil von Renaissance, Klassizismus und Barock wiederaufgebaut wurden. Immer wieder trifft der Besucher auf das Symbol der Ziege, um die sich verschiedene Stadtlegenden ranken.

Überraschend auch ist die Entdeckung der Alten Synagoge Posens. Nicht im Traum denkt der Passant vor dem heruntergekommenen Gebäude, dass es sich hier einmal um ein Gotteshaus gehandelt haben könnte. Nur eine kleine Gedenktafel weist darauf hin. Die Nationalsozialisten bauten das Gotteshaus 1940 in ein Hallenbad um, wobei die hohe Kuppel gekappt und der rote Backstein verputzt wurde. So sollte die Erinnerung an die jüdische Kultur ausgelöscht werden. Seit über 10 Jahren gehört das Gebäude zwar wieder dem Bund der jüdischen Gemeinden Polens, doch es wird nach wie vor als Schwimmbad vermietet. Verträge mit Schulen, Geldmangel, unterschiedliche Nutzungsvorstellungen, politische Querelen in der Stadt haben bislang eine Entscheidung über die Zukunft der Alten Synagoge verhindert.

Zwischen Altem Markt und Hauptbahnhof liegt der Adam-Mickiewicz-Platz, benannt nach dem polnischen Nationaldichter. Hier hat Kaiser Wilhelm II. mit dem Bau des Schlosses und der Alten Post – heute Philharmonie – deutliche Spuren im Stadtbild hinterlassen. Das Kreuz-Denkmal auf dem Platz erinnert dagegen an die Opfer des Posener Aufstands im Juni 1956, der sich einreiht in die Aufstände der 1950er und 1960er Jahre gegen die kommunistischen Machthaber in den damaligen Ostblockstaaten. Dass es bereits 1980 möglich war, ein solches Denkmal zu planen und im Sommer 1981 zu errichten, zeugt von der besonderen Situation Polens im Kreise der Ostblockstaaten zur Zeit des Kalten Krieges. Zur Denkmalsenthüllung versammelten sich 200.000 Menschen auf dem Platz. Kaum überraschend, dass das Denkmal als Symbol des Freiheitskampfes noch größere Bedeutung gewann, als im  Dezember 1981 das Kriegsrecht in Polen eingeführt wurde.

Am späten Nachmittag war es schließlich Zeit, gestärkt mit nasleśniki und pierogi, wieder in den Zug Richtung Westen zu steigen. Hinter uns lag ein Tag, an dem wir viel Neues über die (Ess)kultur und die Geschichte unseres Nachbarlandes gesehen und erfahren haben und unsere polnischen Partner etwas besser kennenlernen konnten. Für einige Berliner war es der erste Ausflug ins Nachbarland, das doch „gleich um die Ecke“ liegt.

Die nächste Begegnung der Projektpartner findet allerdings im September in Brüssel statt, wo sich auch die weiteren Partner aus Frankreich und der Ukraine dazugesellen werden.

(BK)

 

Im November 2016 erhielten wir für das Projekt das Europäische Qualitätssiegel, das verliehen wird, wenn mehr als ein Projektpartner von der jeweiligen Nationalen Koordinierungsstelle das nationale eTwinning-Qualitätssiegel erhalten hat.

Die Projektteilnehmer erhalten für ihr Engagement Urkunden und Sachpreise.