Geschichte am historischen Ort

Das Haus der Wannsee-Konferenz

Es heißt „der frühe Vogel fängt den Wurm“ und so kam es dazu, dass die zwei Geschichtskurse von Frau Bayer und Frau Dr. Kassel am Mittwoch, dem 13. Dezember, so gegen 7:00 das Haus verließen und sich durch die Dunkelheit und Kälte kämpften, um ihr Ziel zu erreichen: das Haus der Wannsee-Konferenz – eine Villa und Gedenkstätte, in der am 20. Januar 1942 15 hochrangige Vertreter der nationalsozialistischen Regierung und der SS-Behörden die Vernichtung der Juden planten.

Um Punkt 9 trafen sich also beide Kurse in der Eingangshalle des Hauses, wobei schon bei Betreten der Gartenanlage die architektonische Leistung ins Auge des Besuchers fiel, da die Villa 1914 als Residenz des Fabrikanten Ernst Marlier errichtet wurde.

Unser Aufenthalt begann mit einer Führung, wobei wir jedoch nicht die ganze Ausstellung, sondern nur den Raum der Konferenz besuchten. Besonders interessant war dabei das originale Protokoll der Konferenz, damals geschrieben von Adolf Eichmann, der im Reichssicherheitshauptamt für die Organisation der Vertreibung und Vernichtung der Juden zuständig war. Beim Lesen dieses Exponates fiel einem sofort auf, mit wie viel Tücke und Hinterlist dieses Protokoll, welches das Startsignal für den Holocaust darstellte, geschrieben und verpackt wurde, mit Worten, die eigentlich eine positive Bedeutung haben, wie z.B. „Evakuierung“ für die Deportation. Wer sich dafür intensiver interessiert, findet auf der Website des Hauses sowohl eine Datei mit dem Originalprotokoll als auch eine Datei, die das Protokoll zusammenfasst und analysiert.

Nach der Führung gingen wir in den zweiten Stock des Hauses und sahen uns zunächst ein Interview mit der Zeitzeugin und Journalistin Carola Stern an, die über ihre Kindheit und Jugend während der NS-Zeit berichtete. Obwohl sie unter dem Einfluss des Regimes aufgewachsen war, hat sie trotzdem die Fähigkeit entwickelt, offen und reflektierend darüber zu sprechen. Sie erzählte z.B. über ihre Zeit im „Bund deutscher Mädel“ oder auch über die Situation in ihrem Dorf, die Propaganda und Hetze, welche bewusst gegen Juden und Sozialisten/Kommunisten betrieben wurde, sodass sie mit 7 schon fest überzeugt war, dass diese ihre Feinde und die ihrer Familie waren.

Der zweite Abschnitt unseres Tagesprogramms widmete sich weiteren Aspekten des Themas Jugend im Nationalsozialismus. Unsere Kurse teilten sich in 4 Gruppen, welche sich mit Themen wie „Rassenlehre in Kinder- und Schulbüchern“, „Musik als Mittel der Rebellion (Swing, Jazz)“, „Jugendkonzentrationslager“ und die „Verfolgung der Juden im Hinblick auf das Leben der Jugendlichen“ befassten. Besonders gefiel mir, dass wir mit exklusiven Materialien, z.B. originalen Schulbüchern oder den damaligen illegalen Schallplatten arbeiten durften. Meine Gruppe erarbeitete das Thema „Musik als Mittel der Rebellion“. Wir begannen uns einzulesen, wobei uns alle Möglichkeiten offenstanden uns mit der Thematik zu befassen, anhand von Musik oder individuellen Schicksalen und Zeitungsartikeln.

Doch bevor wir zur Präsentation der Ergebnisse kamen, legten wir erst einmal eine kurze Mittagspause ein, in der es für uns leckere Pizza gab, welche in einer kleinen externen Kantine mit Speisesaal serviert wurde.

Nach Speis und Trank begaben wir uns wieder in den 1. Stock des Hauses und arbeiteten an unseren Projekten weiter. In unserer Gruppe stießen wir dabei auf „Charlie and his orchestra“, eine Bigband, welche für Propagandazwecke von Goebbels ins Leben gerufen worden war. Absurde Texte sollten die Moral der Feinde untergraben, dies wurde bei unserem Hörbeispiel „Let’s go bombing“ deutlich.

Etwa gegen 14 Uhr fanden wir uns im Gemeinschaftssaal zusammen und jede Gruppe präsentierte ihre Ergebnisse. Besonders interessant waren dabei unter anderem die originalen Schulbücher, welche man sich jederzeit in der Bibliothek ansehen bzw. kopieren lassen kann. (Kleiner Tipp für alle, die eine Präsentation zur NS Zeit erstellen wollen.)

Auch besonders spannend war die Thematik der Jugendkonzentrationslager, welche zur Zeit des Nationalsozialismus Institutionen für „widerständige“, „schwer erziehbare“ Jugendliche und Kinder, sprich Personen, die sich dem Regime und der Propaganda widersetzten, waren.

Unsere Exkursion war eine spannende, lehrreiche Ergänzung zu der Unterrichtsthematik des 3. Semesters. Ich kann das Haus der Wannsee-Konferenz und die dazugehörige Ausstellung und Bibliothek allen, die geschichtsbegeistert oder auf der Suche nach einer großen Auswahl an zeitgenössischem Material sind, nur weiterempfehlen. Der Eintritt sowie die Nutzung der Bibliothek sind frei. Wem der Weg zu weit ist, kann sich die Internetseite anschauen – oder einfach auf das 3. Semester warten und die dazugehörige Exkursion.

Iolana Paedelt, 3. Sem.