Vom schönen Krakau in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau

Reisebericht Krakau – Auschwitz

Ein Kommentar von L.S.

Im Spätsommer dieses Jahres fand nun zum zweiten Mal am Gabriele-von-Bülow-Gymnasium die freiwillige, dreitägige Gedenkstättenfahrt für das dritte Semester nach Krakau statt. Ermöglicht wurde diese von den zwei Geschichtslehrerinnen Frau M. Sprenger sowie Frau Dr. B. Kassel.

Nach einer neunstündigen Busfahrt trafen wir in unserer Herberge ein, welche sich im ehemaligen jüdischen Ghetto im Bezirk Kazimierz befand. Lange Zeit, um sich in den Zimmern einzurichten, blieb uns jedoch nicht, denn nun sollte zuerst eine kleine Stadtbesichtigung stattfinden. Geführt wurde unsere Gruppe von der warmherzigen polnischen Reiseleiterin Barbara D. Unser allererster Eindruck nach einer halben Stunde: Krakau ist wie Kreuzberg, nur sauberer. Die vielen kleinen Cafes, restaurierte Altbauten und Fairtrade-Läden lassen die Stadt schon fast heimisch vertraut wirken. Erschöpft von der Anreise und den neu aufgenommenen Eindrücken endete für uns auch schon der erste Tag.

Am nächsten Morgen ging es dann zu einem intensiveren Stadtrundgang durch Krakau. Barbara zeigte uns das ehemalige jüdische Ghetto sowie einige Drehorte des Hollywood-Streifens “Schindlers Liste” und versorgte uns parallel in mitreißender Ausführlichkeit mit den zugehörigen Informationen. Das eigentliche Tagesziel stellte jedoch die ehemalige Fabrik Oskar Schindlers dar, in welcher sich eine beachtliche Ausstellung über die Judenverfolgung in Krakau befindet. Durch diese bekamen wir eine wirklich sehr zu empfehlende anderthalbstündige Führung. Im Anschluss ging es etwas beklommen in die Mittagspause. Später zeigte uns Barbara dann als Kontrastprogramm, wie schön die Stadt Krakau doch eigentlich ist, wobei speziell der Platz an der Marienkirche sowie der Wawel, also die Burg, besonders sehenswert sind. Aber auch die Weichsel mit ihren begrünten und gepflegten Ufern machen den Charme der Stadt aus.

Am nächsten Morgen ging es dann stillschweigend zum Bus und nach einer Stunde Fahrzeit hielten wir auf dem Parkplatz der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Vor uns erblickten wir das berühmt-berüchtigte Banner „Arbeit macht frei“, umgeben von Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen und streng monoton gebauten Backsteinhäusern. Das Wetter war passend trist und die ganze Gruppe schlagartig still. Die Führung brachte uns zuerst in eine Baracke, in welcher Aufnahmen aus der damaligen Zeit, Massen an Schuhen, Töpfen sowie Haaren zu finden waren, welche den schließlich Ermordeten damals abgenommen worden waren.

Nach einem psychischen “Verschnaufweg” von zwanzig Metern fanden wir in den nächsten Baracken diverse Fotos aus der damaligen Zeit, darunter ein Flur voller Aufnahmen der Häftlinge, welche jedem von uns in Erinnerung bleiben werden. Im letzten Raum bekamen nun auch die Kinder der Tragödie Gesichter. Ein Gefühl, welches sich weder beschreiben noch in Worte fassen lässt, steigt angesichts solcher Fotos in einem auf.

Als wir uns wieder aufgerafft hatten, kamen wir zur Baracke, in welcher die Büros der SS-Männer sowie verschiedene Zellen zu finden waren. Zellen, die teilweise nur ein mal ein Meter groß waren, Zellen, in denen vier Häftlinge gefangen gehalten wurden, Zellen, die einzig und allein dem Zweck dienten, ihre Insassen zu foltern und dem Hungertod zu überlassen. Neben dieser Baracke befand sich die Erschießungswand, welche einem im Vergleich zu den zuvor gesehenen Dingen schon fast absurd “freundlich” vorkam.  Die letzte Baracke, die wir besichtigten, enthielt eine moderne Ausstellung, welche so gestaltet wurde, dass die Wände mit Zeichnungen der Gefangenen aus Auschwitz versehen sind, Aufnahmen und Interviews gezeigt werden sowie ein „Buch“ mit den Namen aller Menschen ausliegt, die an diesem Ort den Tod fanden.

Eine anschließende Mittagspause hatte sich für keinen von uns jemals so befreiend angefühlt.
Einen Kontrast sollte das anschließend besuchte Lager Birkenau darstellen: Denn ohne an schauerlicher Wirkung auch nur einen Deut zu verlieren, wichen die eng beieinander stehenden Backsteinbauten einem weiten Feld mit unzähligen Holzbaracken und Stacheldrahtzäunen. Auf einer Fläche von 117 Hektar erstreckte sich vor uns ein Lager, dessen Grenzen nicht sichtbar waren. Spätestens bei dem Betreten „der Rampe“ und dem zentral errichteten Denkmal glaubte wir einen Hauch der damaligen Geschehnisse erfassen zu können. Uns wurde ermöglicht, den Opfern mit weißen Chrysanthemen zu gedenken.

Anschließend liefen wir an den Ruinen der ehemaligen Gaskammern vorbei, in denen zeitgleich bis zu 800 Menschen vergast werden konnten. Diese waren von der SS selbst gesprengt worden, um Beweise zu vernichten. Schließlich kamen wir zu einem Gebäude, in welchem die zum Überleben bestimmten Juden „desinfiziert“ wurden. Ein Wort, was in diesem Zusammenhang genauso widerwärtig klingt wie die damaligen Geschehnisse an diesem Ort. Zuletzt besichtigten wir noch eine Baracke, in der damals Kinder und Frauen untergebracht waren. In dieser befanden sich Dreietagenbetten, welche diese Bezeichnung eigentlich nicht verdienen, für jeweils 15 Kinder bzw. 7 Frauen. Hier sollte damals, auf kleinster Fläche eng zusammengepfercht und nur mit ein wenig Stroh als Unterlage, geschlafen werden. Es konnte nicht gelüftet werden, es herrschten Ratten- und Läuseplagen und wenn es regnete, kam es vor, dass der Boden mitunter komplett überflutete.

So gut wir über die damaligen Ereignisse im Vorfeld auch informiert worden sind, war jeder von uns von dem Gesehenen tief erschüttert, so dass es während der gesamten Führung sehr ruhig war.

Ein traditionelles Abendessen in einem jüdischen Restaurant mit Klezmer-Musik brachte uns nicht nur wieder auf andere Gedanken, sondern bildete auch einen perfekten Abschluss der gelungenen Fahrt und ermöglichte uns, sich auf der Rückfahrt wieder auf die Heimat zu freuen. Lediglich als einige von uns das erste Mal wieder die Nachrichten aufriefen, in denen über die Geschehnisse aus Chemnitz berichtet wurde, kam in mir noch einmal ein beklemmendes Gefühl von Unverständnis auf.

 

  

Fotos: Paulinus Müschenich, 3. Semester